Gassenbummel
durch Soest
Der ILC (International Ladies Club) traf sich am 5. Juli 2022 unter der Leitung von Petra Menke-Koerner zu einem Bummel durch die Gassen von Soest: Vom Start am Ulrichertor erkundeten 14 Frauen die vielen malerischen Gassen der Altstadt. An besonders bemerkenswerten Ecken oder Plätzen versammelte Petra die Gruppe und machte uns auf Verborgenes aufmerksam und erklärte Hintergründe.
Niemand hat bisher geahnt, wie viele Gassen es in der Altstadt gibt! Manche sind so schmal, dass selbst mittelalterliche Fuhrwerke nicht hindurch passten. Man musste alles, was man für das tägliche Leben brauchte, mühsam zu Fuß über das holprige Pflaster schleppen. Kopfhohe Grünsandsteinmauern säumen den Weg, so dass die Gartenbesitzer – früher und auch heute – vor unliebsamen Einblicken geschützt waren. Aber liebevoll gepflegt, blüht und rankt es auch heute noch aus jedem Fleckchen Erde vor den Häusern.
Manche Namen der Gassen kann man sich selbst erklären, so die Kapellengasse neben der Brunsteinkapelle und der Enge Weg – sie können gar nicht anders heißen.
Andere Namen erklärte Petra uns:
In der Bachsteingasse ist der Bach inzwischen verrohrt, in der Bleichergasse wurde die Wäsche gebleicht, und der Kattenhol wurde wohl nach Katte – eine mittelalterliche Wurfmaschine, mit der Kanonenkugeln geschleudert werden konnten und nach deren Standort in einem Loch (Hol) – benannt. Besondere Erklärung brauchten wir für die Leckgadumstraße. Sie wurde nach einem Gebäude zur Salzgewinnung: Lecken – Lake, Gadum – Gebäude benannt. Unserer Fantasie war keine Grenze gesetzt bei der Arme Sünder Gasse, für die es keine offizielle historische Erklärung gibt.
Manche Gassen sind nach den Familien benannt, die einmal dort gewohnt haben, wie die Daelengasse (Patrizierfamilie, aus der sieben Soester Bürgermeister hervorgegangen sind) oder die Romhofsgasse (nach der Familie de Roma, die im 13. Jahrhundert von Soest aus Fernhandel betrieb). Auch in neuester Zeit hat man einer Frau ein ehrendes Denkmal gesetzt, mit dem Luise-Meyer-Weg. Sie gehörte zu den Stillen Helden, die es im 3. Reich Juden ermöglicht hat, Deutschland zu verlassen.
Viele Gassen führen in Richtung Zentrum, zum Rathaus und Marktplatz, wie die Beamtenlaufbahn. Doch gibt es immer kleine Querverbindungen, die Abkürzungen ermöglichen, die es aber auch schwer machen, die Orientierung zu behalten. Sie sind wahrscheinlich beim allmählichen Anwachsen der Stadt innerhalb der Mauern entstanden; anders als bei einer gegründeten Stadt wie Lippstadt, wo die Straßenzüge leiterförmig und übersichtlich angeordnet sind.
Auch an den Entstehungszeiten der Häuser erkennt man, dass Soest eine „gewachsene“ Stadt ist. Es gibt die kleinen Fachwerkhäuser, deren Felder zwischen den Balken mit Lehm und Häcksel gefüllt sind. Es gibt die Ziegelsteinhäuser und die prächtigen Bürgerhäuser, deren Fronten aufwändig mit Stuck verziert sind. Auch haben die Soester früher den Blick nach außen in die Welt gewagt und Fremdes imitiert, so gibt es einige mit Schiefer verkleidete Häuser, wie sie für das Sauerland typisch sind. Ihr Schmuckwerk sind die geflochtenen Bandmotive, die ein Zeichen für Ewigkeit symbolisieren. In Baulücken wurden moderne gläserne Bauten eingefügt, die trotz ihrer viel späteren Entstehung ein harmonisches Gesamtbild ergeben.
Petra beanspruchte auch unsere Fantasie, indem sie uns Besonderheiten der Stadt „zeigte“ die es gar nicht mehr gibt, so die Bockwindmühle, die vor Urzeiten auf dem Jakobi-Nötten-Wall stand. Sie stellte uns auch das korpulente Hinterteil einer Bürgermeistersfrau vor (Rittersaal des Burghofmuseums), welches diese während der Soester Fehde vom Wall aus dem Feind entgegenstreckte, um zu dokumentieren, dass es innerhalb der Mauern keinen Nahrungsmangel gab.
Jetzt wissen wir auch, weshalb auf der temporär rot-weißen Wippe nicht mehr die stolzen Farben der Stadt Soest anzusehen sind, sondern warum sie in Gelb, den Farben des Niederträchtigen und Bösen gestrichen ist und als solche bereits im Nequambuch von 1315 der Stadt Soest verewigt ist. Wir haben manches mit neuen Augen gesehen und viele Zusammenhänge verstanden.
Herzlichen Dank an Petra und ihre kompetente Führung!
Bericht: Gisela Gall, Fotos: Ilka Werle